Das 100 - jährige Jubiläum eines Vereins wird in allen Fällen ein Anlass
sein zum Rückblick in das Leben und in die Geschehnisse die den Werdegang
aus den Anfängen heraus bestimmten und zu den Ergebnissen und dem Bild
führten, wie wir es heute sichtbar vor uns haben. Es ist zugleich eine
Zusammenfassung aller Höhen und Tiefen, aller Erfolge und Schwierigkeiten
die den Werdegang eines Vereins widerspiegeln und die ihm in der Erfüllung
seiner Aufgaben zwangsläufig widerfahren. Diese Aussage wäre aber nicht
vollständig, wenn sie nicht gleichzeitig ein Anlass wäre, jener Männer
ehrend zu gedenken, welche mit ihrer Tatkraft und ihrem Idealismus das
Fundament eines blühenden Vereinsleben aus schwierigsten Anfängen heraus
geschaffen haben. Gleichzeitig möchten wir aber auch unseren Jubiläumsgästen
ein kleines Bild unserer Dorfgemeinschaft aufzeigen, mit welcher der TASV
Hessigheim untrennbar verbunden ist. Wenn man die Geschichte des Dorfes
im zeitlichen Vergleich zur Vereinsgeschichte betrachtet, so trifft man
zwangsläufig auf jene strukturelle Veränderungen die sich seit der Jahrhundertwende
landauf, landab mit wechselseitigen Auswirkungen vollzogen haben. Aus
dem kleinen idyllischen Dorf, dessen Einwohner damals fast ausschließlich
im Weinbau und in der Landwirtschaft tätig waren, wurde im Verlauf dieser
100 Jahre eine Gemeinde, in der ein überwiegender Teil der Bevölkerung
nun seinen Erwerb in Industrie, Handel, Gewerbe und dergleichen findet,
die aber immer noch untrennbar mit dem Weinbau verbunden ist. Wenn sich
auch die An- und Ausbaumethoden im Weinbau gegenüber früheren Zeiten grundlegend
gewandelt haben, so sind sie doch besonders in den Steilhanglagen auch
heute noch sehr arbeitsintensiv. Betrachtet man nun diese Feststellung
in einem nicht zu gewagtem Vergleich mit den vorrangig früher ausgeübten
Sportarten beim TASV, (Gewichtheben, Tauziehen, Rundgewicht jonglieren,
Rasenkraftsport oder Ringen) so drängt sich fast zwangsläufig die Meinung
auf, daß die harte körperliche Arbeit in den Weinbergen vielfach einen
direkten Weg zum ausgeübten Kraftsport erkennen läßt. Eine lückenlose
Aufzeichnung der Vereinsgeschichte seit ihrem Gründungsjahr, stößt über
so einen langen Zeitraum auf erhebliche Schwierigkeiten. Da die spärlichen
handschriftlichen Unterlagen vielfach der chronologischen Vollständigkeit
entbehren und in den Wirren zweier Weltkriege fast vollständig verloren
gingen, können wichtige Ereignisse welche für die Geschichte des Gründungsvereins
von Bedeutung gewesen wären, leider nicht mehr wiedergegeben werden. Obwohl
es eine Niederschrift aus dem Jahre 1900 (siehe Abb. auf der linken Seite)
gibt, in welcher sich 13 Kameraden aus Stuttgart, Möglingen, Großingersheim
und Hessigheim am 16.Juni 1900 im Gasthaus „Rose“ in Hessigheim zusammen
fanden, um den Turnverein zu gründen, gilt als offizielles Gründungsjahr
das Jahr 1901 ! Das Wieso und Warum ist leider nicht mehr nachvollziehbar.
Der original Text der „Vereinsgründung“ lautet wie folgt (kursiv bedeutet
original Text): Die Gründung des Turnvereins Hessigheim, gegründet den
16.Juni 1900 Im Auftrag von mehreren Kameraden hielten wir am Sonntag
des oben genannten Datum im Gasthaus Rose eine Versammlung um Gründung
eines Turnvereins. Es wohnten daselbst auch Turner aus Großingersheim
bei, die uns Einleitung dazu gaben. Der Verein wurde gegründet und zählte
13 Mitglieder. Namen derselben: Paul Pfeiffer Besigheimerstr., Friedrich
Eitel Stuttgart, Friedrich Eisele Möglingen, Karl Haiber Großingersheim,
Emil HaiberHinterdorfstr. Wilhelm Eitel Besigheimerstr., Karl Eisele Stuttgart,
Friedrich Vogel Wirt, 3 Wirte: Karl Schaaf Rosenwirt, Gottlob Cantz Metzger,
Friedrich Vogel Bäcker,sowie Johannes Späth und Paul Seiffert ! Weitere
Niederschriften, das Jahr 1901 betreffend, beurkunden den Kauf einer Standarte
zum Preis von 80 – 100 Mark und das geplante Abhalten eines Festes. Hierzu
auch den original Text:
Am 20. Januar 1901 vereinigten sich 15 Mitglieder, dem Verein eine
Standarte im Preis von 80 – 100 M. zu kaufen und solange zu haften bis
die Standarte bezahlt ist. Sollte ein Mitglied durch Krankheit oder Auswandern
verhindert sein, löst sich obige Verantwortung gegen ihn auf. Monats Versammlungen,
am 17.März 1901 bei Mitglied W. Mozer, Wagner, wurde durch 17 Mitglieder
beschlossen:
1.) daß die Einweihung der Standarte,die bestellt ist am 30.Juni 1901
eingeweiht werden soll! Der Festblatz soll voraussichtlich auf dem Garten
bei der Brücke Fluß abwärts abgehalten werden.
2.) Der Festzug soll durch Festdamen begleitet werden und sollen dieselben
am Festessen mit dem Festkomiete teilnehmen und zwar auf Kosten des Vereins.
3.) Auf dem Festblatz sollen Spielbuden zugelassen werden zum Beispiel
1 Karusel... Durch diese Standarte – Einweihung wäre es möglich, daß 1901
als Gründungsjahr genannt wird, so wie auch auf der Standarte Turn- Verein
– Hessigheim 1901 steht ! Interessanter Weise existiert eine Satzung des
Turnvereins mit dem Vermerk: der Verein soll in das Vereinsregister des
Amtsgericht Besigheim eingetragen werden erst vom 17.02.1935 ! Der Turn
Verein Hessigheim widmete sich ausschließlich der körperlichen Ertüchtigung
durch Turnen. Mit welchen Schwierigkeiten sich die damaligen Mitglieder
herum zuschlagen hatten, geht wohl am Besten aus den Umständen hervor,
die den Übungs- und Trainingsablauf bestimmten. Eine Küferwerkstatt in
der Gartenstraße diente zunächst einmal als Übungsraum für die Turner.
Da für ein Reck jedoch kein Platz darin war, stellte man dies kurzerhand
im Freien auf. Später konnte dann am Neckarufer eine Holzhütte als Übungsraum
erstellt werden, in welcher mehr schlecht als recht der Sport ausgeübt
wurde. Überhaupt bestimmten Behelfsmäßigkeiten und Improvisationen über
Jahrzehnte hinweg das ganze Vereinsgeschehen. Daß trotzdem eine Aufwärtsentwicklung
des Vereins zu verzeichnen war, war wohl in erster Linie dem Idealismus
und der Begeisterungsfähigkeit der Sportler zu zuschreiben. Nachdem sich
innerhalb des Turnvereins bald eine Gruppe etablierte, die sich mehr und
mehr dem Kraftsport zugetan fühlte, konnten auch die ersten Querelen nicht
ausbleiben. Meinungsverschiedenheiten gibt es sicher in allen Vereinen,
damals schienen sie aber den Beteiligten so unüberwindbar, daß es dann
im Jahre 1921 zum endgültigen Bruch zwischen den Turnern und den Athleten
kam, während einer Generalversammlung im Cafe Rosenstöckle verließen ca.
20 „Athleten“ die Versammlung und „gründeten“ im Gasthaus „Adler“, den
„Athletik Sport Verein
Hessigheim“ Die Männer der ersten Stunde waren, u.a. Paul Eisele, Be.,Wilhelm
Eisele, Hd., Wilhelm Eisele, Ga., Paul Abele, Paul Haiber, Fritz Burk,
Hd., Albert Kraft, Ernst Nägele, Sei., Karl Link, Gottlob Nägele, Ra.,
Paul Veigel, Mi. Mit heutigen Verhältnissen verglichen ist es kaum vorstellbar,
daß zum Beispiel der ehemalige Roßstall des Gasthauses „Rose“ als Übungsraum
für die Ringer akzeptiert wurde. Doch wieder war es die absolute Bereitschaft
zur Improvisation und der unbeugsame Wille zur sportlichen Betätigung
der das junge Vereinspflänzchen am Leben hielt. Der Kauf einer Ringermatte
und einer Hantel für die Gewichtheber setzte damals einen regen Tauschhandel
mit Wein, Getreide und sonstigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen in
Gang und immer wieder waren es kleinere und größere Geldspenden aus privater
Hand die dem Verein halfen und so das Weiterbestehen ermöglichten.